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Der genealogisch-historische Verein Familia Austria hat 2020 die auffindbaren Berichte der österreichischen Trinitarier-Provinz von 1689 - 1783 erfaßt und vollinhaltlich in seiner Schrift Nr. 7 'Catalogus Captivorum Christianorum. Die Verzeichnisse der von der österreichischen Ordensprovinz der Trinitarier aus der Gefangenschaft befreiten Christen' veröffentlicht.

Enthalten sind die Namenslisten von 19 dieser 31 Redemptionen (Erlösungen) mit insgesamt 2.427 Freigekauften (ca. 62%) und deren Daten zu Herkunftsorten, Herkunftsregionen, Alter, Beruf, Dauer der Gefangenschaft, Ort des Freikaufs, Preis des Freikaufs usw.

Die Freigekauften stammen aus 117 verschiedenen Herkunftsregionen, die meisten davon im Heiligen Römischen Reich.

Enthalten sind:

- versklavte Soldaten vieler europäischen Armeen

- verschleppte Zivilisten aus dem Südosten Mitteleuropas

- verschleppte Seeleute aus dem Mittelmeer

Freigekauft wurden sie in allen Teilen des Osmanischen Reiches und seiner Nebenländer von der Krim bis Algerien und in Marokko.

 

In dieser Liste tauchen Menschen auf, die in anderen Quellen spurlos verschwinden und deren Schicksal nur mehr hier nachverfolgbar ist.

 

Diese Schrift kostet 18 Euro (+ Versandkosten)
Das Inhaltsverzeichnis und die Bezugsbedingungen finden Sie hier:
Catalogus Captivorum Christianorum. Die Verzeichnisse der von der österreichischen Ordensprovinz der Trinitarier aus der Gefangenschaft befreiten Christen
Einige Rahmenartikel ergänzen diese Schrift - dazu finden Sie hier auch einen Namensindex.

Von den 2.427 Freigekauften ist kein Index enthalten.

 

 

 

I. SKLAVEREI IN DER ALTEN WELT

 

ANTIKE UND MITTELALTER

Die Sklaverei war bereits in der Antike weitverbreitet, es gab sie im alten Ägypten genauso wie im klassischen Griechenland und im Römischen Reich.
Das setzte sich im Früh- und Hochmittelalter fort, gilt für die vorislamische und islamische Welt, weite Teile Asiens, Europas, Afrikas und Amerikas.
Erst mit der Christianisierung Europas im Hochmittelalter verschwand die Sklaverei nördlich der Alpen, blieb aber in den mediterranen christlichen Ländern (Italien, Spanien usw.) noch bis ins 18. Jahrhundert üblich. Hier spielte auch der Verkauf von Sklaven in den Orient durch die italienischen Seerepubliken Venedig, Genua und Pisa eine große Rolle.

 

DER HANDEL MIT SCHWARZEN SKLAVEN FÜR AMERIKA

Dieser gilt heute als der Sklavenhandel schlechthin.
Lokale Könige, Stammeshäuptlinge und Händler in West- und Ostafrika betrieben schon lange vor der Ankunft der Europäer Sklavenjagden und Sklavenhandel. Ab etwa 1512 verkauften sie in Westafrika Sklaven auch an europäische Kaufleute.
In Ostafrika gab es bereits ab dem 7. Jahrhundert einen regen Sklavenhandel in den islamischen Orient, wobei arabische Sklavenjäger und -händler eine große Rolle spielten. Die Inselgruppe Sansibar war dafür Markt und Umschlagplatz. Ab dem 19. Jahrhundert kauften auch europäische und amerikanische Kaufleute dort Sklaven für Amerika ein.

Kaufleute aller europäischen Seehandelsmächte nahmen an diesem transatlantischen Sklavenhandel teil: portugiesische, britische, französische, holländische, spanische, dänische, schwedische, ja sogar brandenburgische (1683 - 1711 in Emden).
Kurzzeitig betrieb der westfälische Reeder Friedrich Romberg von der Stadt Gent aus, damals in den 'Österreichischen Niederlanden' gelegen, Sklavenhandel von Mosambik in die Karibik. Ein Teil dieser Schiffe segelte unter der kaiserlichen Flagge. 1793 beendete die Französische Revolution dieses Unternehmen.

Insgesamt wurden so von ca. 1512 - 1870 mehr als 11 Millionen schwarzafrikanische Sklaven nach Amerika verschifft.
Alleine portugiesische Kaufleute verkauften in der Neuzeit mehr als drei Millionen afrikanische Sklaven nach Brasilien.

Als erster Staat hatte die Republik Ragusa bereits 1408 den Sklavenhandel verboten, Jahrhunderte vor den westlichen Seefahrer-Staaten.
Mit Wirkung von 1803 verbot Dänemark den transatlantischen Sklavenhandel, 1808 folgte Großbritannien, 1813 Schweden, 1814 die Niederlande, 1815 bzw. 1818 Frankreich, 1820 Spanien und erst 1836 Portugal. Venezuela folgte 1840, Brasilien 1850, Spanisch-Kuba erst 1862.

Auf dem Wiener Kongreß 1814-1815 wurde von den acht Signatarmächten (Österreich, Großbritannien, Rußland, Preußen, Frankreich, Spanien, Portugal, Schweden) die Abschaffung des Sklavenhandels beschlossen, aber nicht überall zeitnahe umgesetzt.

Es folgte allmählich auch die Abschaffung der Sklaverei: Portugal (1761 im Mutterland), Frankreich (1794, wiedereingeführt 1802), Großbritannien (1834), Spanien (Mutterland 1837), Schwedische Kolonie (1847), Dänische Kolonien (1848), Frankreich (1848), Venezuela (1854), Moldau (1855), Wallachei (1856), Rußland (Kasachstan 1859), Indien (1862), Niederländische Kolonien (1863), USA (1865), Portugiesische Kolonien (1869), Kuba (1886), Brasilien (1888).

Nachdem im Zuge der erste Entdeckungsfahrten in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts Papst Nikolaus V. es Christen in Bullen von 1452 und 1455 erlaubt hatte, Sarazenen, Heiden und andere Feinde des Christentums zu versklaven und ihren Besitz zu nehmen, verdammte bereits 1462 Papst Pius II. die Sklaverei und Papst Paul III. verbot sie 1537 ausdrücklich für Indianer und alle anderen Völker (Bulle 'Sublimis Deus'). Dabei blieb es dann. Trotzdem betrieben auch die katholischen Seemächte Portugal, Spanien und Frankreich noch jahrhundertelang Sklavenhandel.

In Österreich wurde die Sklaverei nie abgeschafft, weil es sie in der Neuzeit nie gegeben hat. Trotzdem wurde sie schon in der ersten Ausgabe des ABGB (Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch), gültig ab dem 1. Jänner 1812 als illegal bezeichnet: „Jeder Mensch hat angeborne, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. Sclaverey oder Leibeigenschaft, und die Ausübung einer darauf sich beziehenden Macht, wird in diesen Ländern nicht gestattet“, heißt es im § 16 ABGB.
Das war weltweit das erste Verbot der Sklaverei in einem weltlichen Gesetzbuch, das bis heute bestehen geblieben ist. Das Verbot in der Französischen Republik von 1794 wurde 1802 von Napoleon wieder aufgehoben.
Mit dem Hofkanzleidekret vom 19. August 1826 wurde klargestellt, daß das Sklaverei-Verbot nach § 16 ABGB auch den Transport von Sklaven auf österreichischen Schiffen einschließt. Jeder Sklave, der österreichisches Gebiet oder ein österreichisches Schiff betritt, erlangt sofort die persönliche Freiheit und wer einen ehemaligen Sklaven in seiner Freiheit hindert, begeht das Verbrechen der öffentlichen Gewalttätigkeit. Mit dieser Klarstellung wollte man vor allem den  Transport von Sklaven über dalmatinische Hafenstädte in das Osmanische Reich verhindern. Dalmatien war 1797 bzw. dann wieder 1815 an Österreich gefallen.

 

SCHWARZE SKLAVEN AUS OSTAFRIKA

Gleichzeitig gab es die millionenfache Verschleppung von Schwarzafrikanern aus Ostafrika. Wie im Westen des Kontinents betrieben lokale Könige, Stammeshäuptlinge und Händler schon jahrhundertelang Sklavenjagd und Sklavenhandel. Ab dem 7. Jahrhundert gab es einen regen Sklavenhandel in den islamischen Orient, wobei arabische Sklavenjäger und -händler eine große Rolle spielten. Ab etwa 1700 sollen nach Schätzungen acht Millionen Afrikaner quer durch die Sahara nach Marokko und Ägypten verschleppt worden sein und weitere neun Millionen zu den Häfen am Roten Meer und am Indischen Ozean. Besonders die Inselgruppe Sansibar war ein bedeutender Markt und Umschlagplatz. Ab dem 19. Jahrhundert kauften auch europäische und amerikanische Kaufleute dort Sklaven für Amerika ein.
In Orient wurden männliche Sklaven aus Schwarzafrika meist kastriert um Nachkommen zu verhindern, Frauen oft als Odalisken verkauft.
Von Sansibar aus gab es auch Sklavenhandel mit Asien.

Erst 1897 wurde im britischen Protektorat Sansibar der Sklavenhandel abgeschafft, also etwa ein halbes Jahrhundert nach dem transatlantischen.
Und erst 1907 wurde in Britisch-Ostafrika (heute Kenia) die Sklaverei verboten.

 

SKLAVEN AUS DEM KAUKASUS UND SÜDRUSSLAND

Islamische Sklavenjäger suchten regelmäßig auch die nichtislamischen Völker des Kaukasus heim, Georgier, Armenier, Osseten usw.
Besonders betroffen waren die Tscherkessen, die noch einer Naturreligion angehörten und auf Grund ihres hohen Wuchses und der hellen Haut im Osmanischen Reich als sehr begehrte Sklaven galten.
Um sich davor zu schützen traten viele Tscherkessen (17. und 18. Jahrhundert), aber auch christlich-türkische Völker des Kaukasus wie die Karatschaier und Balkaren im 18. Jahrhundert zum Islam über.

Auch die Ukraine und Südrußland wurden von tatarischen Sklavenjägern aus dem Khanat der Krim heimgesucht, die ihre Opfer dann meistens ins Osmanische Reich verkauften. Die Entwicklung des Kosakentums war die Reaktion auf diese ständigen Raubzüge.

Die kaukasischen und slawischen Sklaven wurden im Osmanischen Reich als Arbeitssklaven und Galeerensklaven, die Tscherkessinnen und Georgierinnen oft als Odalisken (Haremssklavinnen) verwendet.

Auch aus dem christlichen Abessinien (heute Äthiopien) wurden Sklaven in den islamischen Orient verschleppt.

 

DIE BARBARESKENSTAATEN

Das waren Schutzstaaten des Osmanischen Reiches an der Südwestküste des Mittelmeeres mit den Zentren Tripolis, Tunis, Algier und Oran und das Königreich Marokko (Salé), wo auch viele aus Spanien vertriebenen Moslems Zuflucht gefunden hatten. Sie wurden in Europa auch, durchaus zutreffend, als Piraten- oder Seeräuberstaaten bezeichnet.
Denn sie entwickelte eine spezielle Wirtschaftsform und lebten vorwiegend von Menschenraub, Sklavenhandel und Lösegelderpressungen gegenüber den christlichen Staaten.

Sie betrieben im Mittelmeerraum sowie im östlichen Atlantik systematische Sklavenjagden. Nicht nur christliche Schiffe wurden gekapert und christliche Besatzungen und Passagiere versklavt, sondern auch gezielt Dörfer an der Küste angegriffen und die Bewohner in die Sklaverei verschleppt. Davon betroffen war die nordwestliche Balkanhalbinsel (Albanien, Ragusa, Dalmatien, Morlachien, Istrien, alle Küsten Italiens, Südfrankreichs, Spaniens, Portugals, aber auch Großbritannien (Cornwall), Irland (Baltimore 1631) und sogar Island (1627). Reichere Sklaven und Adelige wurden dann meistens ihren Familien zum Kauf angeboten, Arme erwartete lebenslange Arbeitssklaverei in Rechtlosigkeit. Auch deren Kinder waren Sklaven.
Zwischen dem Osmanischen Reich und diesen Barbareskenstaaten fand lebhafter Sklavenhandel statt, die meisten blieben aber im Magreb.
Alle Versuche der christlichen europäischen Mächte (Spanien, Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Venedig, Dänemark, Portugal, Neapel-Sizilien, Sardinien und Malta) Algier zu erobern, scheiterten, Oran, Tunis und Tripolis konnten nur kurzfristig erobert und gehalten werden. Die Piraterie ging weiter. 

Während der Napoleonischen Kriege, als die christlichen europäischen Mächte gegeneinander Krieg führten, bezahlten sie sogar heimlich Tribut an die Barbareskenstaaten um ihre Schiffe zu schützen.

Verschlechtert wurde die Position der christlichen Schiffe und Küstenorte noch durch die gewaltsame Eroberung Maltas 1798 durch Napoleon. Die kleine Kriegsflotte der Malteser hatte nämlich jahrhundertelang die christlichen Schiffe beschützt, Piraten gezielt angegriffen und christliche Sklaven befreit.

Die nordafrikanische Piraterie nahm solche Ausmaße an, dass es in Europa professionelle Freikäufer gab. In Norddeutschland entstanden dadurch auch die ersten Sozialversicherungen, "Sklavenkassen", in die die Reeder einzahlten, um ihre Seeleute im Falle eines Piratenangriffs freizukaufen.

Nach Berechnungen sollen zwischen 1530 und 1780 etwa 1,25 Millionen Menschen aus Europa durch diese Piraten versklavt worden sein, die meisten davon durch Raubzüge an den Küsten Italiens, Spaniens und Portugals.
Einer davon war der Schriftsteller Miguel de Cervantes, der von 1575 - 1580 Sklave in Algier war.

Als dann auch Schiffe der jungen USA (bis 1865 selbst ein Sklavenhalterstaat) betroffen waren, griff diese nach anfänglichen Tributzahlungen 1801 - 1805 (Tripolis) und 1815 (Algier) an und erreichte, daß ihre Schiffe vorübergehend in Ruhe gelassen wurden.

Nach dem Ende der Kriege in Europa griffen 1816 die britische und die niederländische Flotte gemeinsam Algier an, versenkten dessen Flotte und bombardierten die Stadt so lange bis der Dey (Herrscher) einwilligte alle christlichen Sklaven freizulassen und bereits entrichtete Lösegelder zurückzuzahlen.

In der Folge wurden im Magreb rund zwei Millionen christliche Sklaven aus Europa (und Amerika) freigelassen. Das betraf aber nur die Küstengebiete, im Landesinneren verblieben zahlreiche Christensklaven in Gefangenschaft.

Die Sklavenjagden gingen in der Folge nur mehr in vermindertem Maße weiter bis die Region 1830 von Frankreich erobert und annektiert wurde.

Als 1828 auch ein Österreichisches Handelsschiff, die Brigantine Veloce, auf dem Weg von Triest nach Rio de Janeiro vor Cadiz (Spanien) von marokkanischen Piraten gekapert wurde, gab es im Jahr 1829 eine Österreichische militärische Strafexpedition gegen Marokko, die erfolgreich verlief. Die Mannschaft wurde freigelassen und die Veloce an die Österreicher übergeben.

1844 zwang Frankreich auch Marokko zur Einstellung der Piraterie.

 

SKLAVEREI IN CHRISTLICHEN MITTELMEERHÄFEN

Etwa zum Ende des Mittelalters ging die Zeit islamischer Sklaven auf den Ländereien im Königreich Neapel, im Königreich Sizilien, auf den Balearen und in Katalonien zu Ende.
Aber in Genua, Civitavecchia, Neapel, Sizilien und Sardinien gab es noch
bis ins 18. Jahrhundert vor allem weibliche türkische und griechische Haussklaven. Hier handelte es sich in der Regel aber nicht um lebenslange Sklaverei, die meisten Sklavinnen wurden schließlich freigelassen.
Sklavenhandelszentren waren Lissabon, Sevilla, Barcelona, Valencia, Genua, Venedig und Marseille.
 
SKLAVEREI IN WESTEUROPÄISCHEN HÄFEN

Liverpool, das sich ab 1699 am Sklavenhandel beteiligte, galt im späten 18. Jahrhundert als 'Hauptstadt des Sklavenhandels' mit der größten Flotte an Sklavenschiffen und dem größten Sklavenmarkt der Welt. Ihr Anteil am gesamten atlantischen Sklavenhandel lag bei 40 %. Hier wurden 80% des britischen Sklavenhandels umgesetzt. Sklavenmärkte gab es auch in Bristol und London.
1808, mit dem Handelsverbot für Sklaven, ging diese Zeit zu Ende.
Auch in französischen Häfen wie Nantes, Bordeaux, La Rochelle, Le Havre usw. beteiligten sich Kaufleute am Sklavenhandel und sogar der Philosoph Voltaire investierte dort sein Geld.
Viele afrikanische Sklaven arbeiteten in französischen Adelshaushalten. 1794, während der Französischen Revolution, wurde die Sklaverei in Frankreich erstmals abgeschafft, 1802 von Napoleon wieder eingeführt.

 

II. MITTELEUROPA

 

DIE SITUATION IN MITTELEUROPA

Mit der Christianisierung der germanischen, slawischen und baltischen Völker und Stämme Ostmitteleuropas erloschen im Hochmittelalter (13. Jahrhundert) auch Sklavenhandel und Sklaverei in Mitteleuropa. Die Bevölkerung war, mit Ausnahme der jüdischen Gruppen, durchwegs christlich und unter Christen war Sklaverei verboten. Es gab also in der Neuzeit hier keine legale Sklaverei.
Die in diesem Zusammenhang oft erwähnte Leibeigenschaft war etwas grundsätzlich anderes.
Sklaverei ist auch etwas anderes als zeitlich limitierte Kriegsgefangenschaft von Soldaten und die Gefangennahme von adeligen und wohlhabenden Geiseln zwecks der Erpressung von Lösegeld.

Trotzdem gab es in der Neuzeit Sklavenjagden in Mitteleuropa (siehe unten).

 

SKLAVENJAGDEN IN ÖSTERREICH

Ab 1354 (Eroberung Gallipolis) breitete sich das Osmanische Reich auch nach Europa aus. 1361 wurde das byzantinische Adrianopel (türk. Edirne) erobert, 1371 Makedonien, 1396 Bulgarien, 1389 bzw. endgültig 1459 Serbien, 1420 Thessaloniki, 1453 Konstantinopel, 1460 der Peloponnes, 1463 Bosnien, 1470 Albanien, 1493 Slawonien, 1521 Belgrad und 1526 schließlich der Großteil Ungarns.

Nach der Eroberung Bosniens (1463) grenzte das Osmanische Reich direkt an Mitteleuropa. Das schwache Königreich Kroatien, damals ein Nebenland Ungarns, war mit der Grenzverteidigung völlig überfordert. Bald fielen osmanische Scharen nicht nur in Kroatien ein, sondern auch in die südlichen Länder des Heiligen Römischen Reiches. Die Krain (ab 1469), Kärnten (ab 1473) und die Steiermark (ab 1480) waren betroffen. Die Plünderer ritten die Flußtäler von Save (damals dt. Sau genannt), Drau und Mur aufwärts, plünderten Städte, Märkte, Dörfer und Einzelhöfe auf ihrem Weg, nahmen das Großvieh mit und verschleppten die Bewohner. 1473, 1476, 1478, 1480, 1483, 1493 usw. kamen sie wieder. Die Krain erlebte von 1469-1499 22 Einfälle osmanischer Plünderer, Kärnten von 1473-1483 5 Einfälle.
Der hilflose Landesadel verschanzte sich in seinen Burgen, die Bürger in ihren Städten. Die Landbevölkerung war den osmanischen Scharen hilflos ausgeliefert. Der 'Kärntner Bauernaufstand' von 1478 und der 'Windische Bauernkrieg' von 1515 waren verzweifelte Versuche zur Selbsthilfe, scheiterte aber rasch und blutig.

Durch diese Einfälle wurden erstmals tausende Zivilisten aus dem Hl. Römischen Reich, vor allem Landbewohner Innerösterreichs, in die 'türkische Dienstbarkeit', wie man die Sklaverei damals nannte, verschleppt.

Soldaten aus Mitteleuropa waren bereits in den großen Schlachten von Nikopolis (1396), Warna (1444) und der 2. Schlacht auf dem Amselfeld (1448) in die Sklaverei geraten.

Nach dem Fall Ungarns 1526 rückte das Osmanische Reich auch von Osten her an das Hl. Römische Reich heran. 1529 stand ein Osmanisches Heer erstmals vor Wien. Gleichzeitig überfluteten tatarische und türkische (Akindschi) Scharen das gesamte südliche Niederösterreich bis zur Ennsgrenze, wo das Oberösterreichische Landesaufgebot sie schließlich aufhalten konnte.
Bereits 1532 folgte der nächste osmanische Einfall nach Niederösterreich, wieder wurden die beiden südlichen Landesviertel überrannt.
Auch im 'Langen Türkenkrieg' (1593 - 1606) fielen osmanische Scharen ins habsburgische Westungarn und das 'Viertel unter dem Wienerwald' (heute Industrieviertel) ein.
1663 und 1664 fielen osmanische Scharen von Oberungarn (heute Slowakei) aus ins Weinviertel ein und plünderten sogar den Südosten Mährens (um Nikolsburg (tsch. Mikulov).

Beim letzten großen Türkeneinfall nach Österreich im Jahr 1683 wurde nicht nur Wien nochmals (erfolglos) belagert, sondern auch beide südlichen Landesviertel, das östliche und südliche Weinviertel und sogar ein Landstrich im südlichen Waldviertel überrannt und geplündert.

Alleine beim Einfall 1683 ergab die Verlustbilanz der Niederösterreichischen Landstände, daß ca. 30.000 Zivilisten getötet worden waren und ca. 87.000 in Gefangenschaft (Sklaverei) geführt, darunter 56.093 Kinder, 13.800 Mädchen, 11.215 Frauen, 204 adelige Fräulein und 6000 ältere Männer. Die gefallenen und gestorbenen Soldaten der habsburgischen und der verbündeten Armeen sind hier nicht enthalten.

Man kann also davon ausgehen, daß alleine aus Niederösterreich während der fünf Einfälle von 1529 - 1683 zwischen 150.000 und 200.000 Zivilisten in die Sklaverei verschleppt worden sind.

Da diese Sklavenjagden auch im habsburgischen Ungarn, in Altkroatien, in Siebenbürgen, Südostpolen und später auch im Banat stattgefunden haben, kann man davon ausgehen, daß insgesamt mehrere Millionen Zivilisten aus Mitteleuropa ins Osmanische Reich und das Khanat der Krim verschleppt worden sind. Genauere Schätzungen gibt es nicht.

 

DAS LOS DER SKLAVEN

Die Verschleppten landeten auf den Sklavenmärkten des Osmanischen Reiches und wurden dort gehandelt. Jeder konnte sie kaufen und auch die einheimischen Christen (Griechen, Armenier usw.) machten davon Gebrauch. Oft wurden sie mehrfach weiterverkauft und manche landeten in weit entfernten asiatischen Regionen. Sie waren völlig rechtlos und konnten von ihren Herren jederzeit gezüchtigt oder getötet werden. Die Einsatzmöglichkeiten waren vielfältig, vom Haussklaven bis zum schrecklichen Los der Galeerensklaven.

Viele sind schon während der Märsche zu den Sklavenmärkten gestorben oder getötet worden, manche konnten entkommen und in die Heimat zurückkehren. Von diesen gibt es einige Augenzeugenberichte über die Zustände.
Manche Sklaven konnten sich nach jahrelanger Sklaverei selbst freikaufen oder wurden von ihren Herren aus der Sklaverei entlassen. Das betraf vor allem alte, arbeitsunfähige Menschen. Diese tauchen gelegentlich in den Sterbebüchern Niederösterreichs auf, mit dem Hinweis, daß sie erst vor einigen Wochen oder Monaten zurückgekommen sind.

Und manche wurden aus der Sklaverei losgekauft.

 

DIE TRINITARIER

Das war ein 1198 gegründeter römisch-katholischer Orden, dessen Hauptaufgabe darin bestand Geld für den Freikauf von christlichen Sklaven zu sammeln und diese dann in sogenannten Redemptionen (Erlösungen) im Osmanischen Reich oder seinen Nebenländern wie dem Khanat der Krim oder Algier freizukaufen.

Die Erfolge dieser Freikäufe veröffentlichten sie in gedruckten Flugschriften, wo sie nicht nur die Preise der freigekauften Christensklaven genau auflisteten und natürlich auch die Namen der Großspender (das Kaiserhaus, der Adel, die Bischöfe). Aufgelistet wurden auch die Namen der Freigekauften, ihre Herkunftsorte, ihre Herkunfts-Länder, Alter, Beruf, Ort des Freikaufs und die Dauer der Gefangenschaft. Diese Flugschriften waren also eine Art von Rechenschaftsberichten.
Freigekauft wurden, eine Besonderheit in dieser Zeit, unterschiedslos Christen aller Konfessionen: Katholiken, Evangelische, Orthodoxe von Portugal bis Rußland und von Dänemark bis Malta.

1689 hatten die Trinitarier auch in Wien eine Ordensprovinz gegründet, die bis 1783 bestand. In insgesamt 31 Redemptionen (Erlösungen) zwischen 1690 und 1783 gelang es ihnen insgesamt 3.925 Christensklaven im Osmanischen Reich von der Krim bis nach Algier freizukaufen, wofür sie insgesamt 1.064.683 Gulden aufwendeten.

Der genealogisch-historische Verein Familia Austria hat die Berichte von 19 dieser 31 Redemptionen mit insgesamt 2.427 Freigekauften aufgespürt (ca. 62%) und diese Daten in vollem Umfang in seiner Schrift Nr. 7 'Catalogus Captivorum Christianorum. Die Verzeichnisse der von der österreichischen Ordensprovinz der Trinitarier aus der Gefangenschaft befreiten Christen' veröffentlicht.

Die Freigekauften stammen aus 117 verschiedenen Herkunftsregionen, die meisten davon im Heiligen Römischen Reich.

 

SKLAVEN AUS SÜDUNGARN UND DEM BANAT

Die Habsburgerkaiser, gleichzeitig von 1526 - 1918 auch Könige von Ungarn, waren bestrebt die entvölkerten Gebiete Ungarns und des Banats (erst wieder ab 1779 ein Teil Ungarns) wieder zu besiedeln. Siedler aus Süddeutschland, dem Alpenraum, den böhmischen Ländern und dem nördlichen Ungarn wurden gerufen und kamen zu Zehntausenden.

Aber die österreichischen Türkenkriege gingen weiter: 
1683 - 1699
1714 - 1718
1736 - 1739
1787 - 1792
Und jedes Mal wieder fielen osmanische Truppen im Süden Ungarns (Militärgrenze, Banat, Batschka, Slawonien, Kroatien, Siebenbürgen) ein und wieder wurden auch Zivilisten in die Sklaverei verschleppt.
Oft waren das Neusiedler, die erst kurz vorher angesiedelt worden waren.

Auch von diesen haben die Trinitarier viele losgekauft.

 

III.  SKLAVEN IM ORIENT

 

DIE KNABENLESE

Im Osmanischen Reich gab es viele verschiedene Völker und Sprachen und viele Religionen. Darunter waren auch viele Christen, von den altorientalischen in Asien (Armenier, Syrisch-Orthodoxe usw.) und Afrika (Kopten) bis zu den orthodoxen des Balkan (Griechen, Bulgaren, Serben, Albaner usw.), den Lutheranern und Reformierten (Ungarn) und Katholiken (Ungarn, Kroaten, Nordalbanern).

Die Knabenlese war die Zwangsaushebung bzw. Zwangsrekrutierung von christlichen Knaben vor allem aus den ländlichen Regionen im Alter von 8 bis 20 Jahren, meistens mit 14 Jahren. Die örtlichen Priester mußten die Taufverzeichnisse vorlegen um wirklich nur Christen zu bekommen. Juden, Türken, Muslime, Zigeuner, Waisen und Kinder von Handwerkern waren ausgenommen, ebenso wenn es in einer Familie nur einen Sohn gab. Auch bei Kriegszügen in christliche Länder verschleppte christliche Knaben wurden so zwangsrekrutiert. Das Volkslied 'Aber Heidschi Bumbeidschi' durfte darauf zurückgehen.

Die Knabenlese erfolgte in unregelmäßigen Abständen (z.B. jährlich oder alle vier Jahre) und in unterschiedlicher Intensität (nicht in jeder Familie). Diese pro 'Lese' ca. 10.000 Knaben wurden zwangsislamisiert, beschnitten, zwangstürkisiert (Spracherwerb) und dann ins Militär gesteckt. Eine begabte Minderheit wurde auch für die staatliche Verwaltung ausgebildet. Letztere konnten höchste Ämter erreichen und verhinderten so die Entstehung einer osmanischen Beamtenschicht. Die Elite-Infanterie der Osmanen, die Janitscharen bestand zum größten Teil aus solchen verschleppten christlichen Sklaven.

Damit wurden die christlichen Völker (vor allem Serben, Bulgaren, Albaner, Griechen und Armenier) im Osmanischen Reich laufend zahlenmäßig geschädigt und den diktatorisch regierenden Sultanen eine willfährige und wurzellose Sklaven-Armee bzw. Sklaven-Beamtenschaft, ohne Familie und ethnisch-sprachlich uneinheitlich zur Verfügung gestellt. Adel gab es keinen.

Die Knabenlese geht auf islamisch-arabische Wurzeln zurück und ist im Osmanischen Reich bereits ab 1395 bezeugt. Erst ab 1581 durften Janitscharen heiraten, ihre Söhne aber als Muslime keine Janitscharen werden. Das war erst ab 1651 der Fall, worauf die Knabenlese allmählich überflüssig wurde und der allmähliche Verfall des Janitscharenkorps einsetzte. Nach 1738 gab es keine Knabenlesen mehr.


SKLAVEREI IM SPÄTEN OSMANISCHEN REICH

Erst 1830 wurden alle weißen Sklaven freigelassen, 1847 der Sklavenhandel aus Afrika verboten, 1854 der Handel mit tscherkessischen Kinder verboten, 1858 der Handel mit schwarzen Sklaven verboten, 1871 wurde der Sklavenhandel generell verboten, 1882 die Sklaverei abgeschafft. Aber erst 1908 beseitigten die Jungtürken den offenen Handel mit schwarzen und tscherkessischen Frauen aus Konstantinopel.

 

SKLAVEREI IM ORIENT IM 20. JAHRHUNDERT

Hier setze sich die Sklaverei lange fort.
In Saudi-Arabien gab es bis in die 1930er Jahre öffentliche Sklavenmärkte. 1956 berichteten Zeugen von einem öffentlichen Sklavenverkauf in Dschibuti.

Erst 1924 wurde im Irak die Sklaverei abgeschafft, 1939 in Bahrain, 1949 in Kuwait, 1952 in Katar, 1960 im Niger, 1962 im Jemen, 1963 in Saudi-Arabien, 1967 in den Arabischen Emiraten am Persischen Golf und 1970 im Oman.

In Mauretanien wurde die Sklaverei formal erst 1980 abgeschafft, in der Praxis gibt es sie dort, wie auch in anderen Staaten, auch heute.

 

Einige Quellen dazu bei Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei

https://de.wikipedia.org/wiki/Sklavenhandel

https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantischer_Sklavenhandel

https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_im_Islam

https://de.wikipedia.org/wiki/Ostafrikanischer_Sklavenhandel

https://de.wikipedia.org/wiki/Knabenlese

https://en.wikipedia.org/wiki/Timeline_of_abolition_of_slavery_and_serfdom

https://en.wikipedia.org/wiki/Slavery_in_the_Ottoman_Empire

 

Das hier ist natürlich nur ein kurzer schematischer Überblick.

Alle Leser sind herzlich eingeladen, mir Ergänzungen mitzuteilen und mich auf Fehler und Irrtümer meinerseits aufmerksam zu machen.

Günter Ofner
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Kategorie: Betrachtungen
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