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An der Südgrenze der ungarischen Batschka, gegen das kroatische Syrmien zu, siedelten im Spätmittelalter Serben und Ungarn. Während der osmanischen Besetzung von 1526 - 1692 wurde auch diese Region weitgehend entvölkert. Lediglich einige hunderte Serben lebten noch verstreut im Lande.

Nach den Siegen der habsburgischen Armeen im 'Großen Türkenkrieg' (1683 - 1699) begannen diese 1692 in einer Donauschlinge im nördlichen Syrmien eine Festung zu bauen. Peterwardein (serb. Petrovaradin/Петроварадин, ung. Pétervárad = Petersburg) war nicht nur die wichtigste habsburgische Festung in Südungarn sondern mit 112 Hektar auch die größte Europas. Sie wurde nie erobert.
Da die Zeiten unsicher blieben, es gab auch nach dem Frieden von Karlowitz (12. Jänner 1699) noch jahrzehntelang osmanische Einfälle, ließen sich viele der ins Land geholten neuen Siedler am Fuße der Festung nieder. Es entstand die Zivilstadt Peterwardein, später eine königlich ungarische Freistadt.

Peterwardein Festung

                                                             Die Festung Peterwardein heute


Aber in Peterwardein waren nur katholische Siedler willkommen. Deshalb entstand gegenüber, am nördlichen Donauufer, rund um eine bereits 1694 angelegte Schanze, eine weitere Siedlung. Diese wurde anfangs Ratzenstadt (serb. Рацка варош, ung. Racka Varoš) genannt. Das hatte aber nichts mit den berüchtigten Nagetieren zu tun. Ratzen, Raizen, Rac war die damalige deutsche und ungarische Bezeichnung der Serben, abgeleitet von der Landschaft Raszien. Der Name "Serbenstadt" war durchaus zutreffend, denn hier siedelten sich vor allem griechisch-orthodoxe Serben an, die bis heute die Bevölkerungsmehrheit bilden.
Nach der Rückeroberung Ungarns waren viele Serben aus Nordserbien dem Aufruf (litterae invitatoriae) Kaiser Leopolds I. gefolgt und hatten sich als freie Wehrbauern in der Militärgrenze angesiedelt. Zu den Soldaten aus der gegenüberliegenden Festung kamen bald auch Handwerker und Händler dazu, ein serbisches Bürgertum entstand.

Ratzen Statt 1698

                                                             Die Ratzenstadt 1698

Später wurde die Siedlung in Peterwardeiner Schanze (serb. Petrovaradinski Šanac/Петроварадински Шанац) umbenannt.
Sie gehörte ab 1702 zur Slawonischen Militärgrenze und bestand aus 40 Häusern mit fast ausschließlich serbischen Besitzern.
Ab 1708 gab es auch einen serbisch-orthodoxen Bischofssitz.
Neben den Serben lebten hier auch Deutsche (Donauschwaben), Ungarn, Juden, Bulgaren, Armenier, Balkanromanen, Griechen usw., später auch Slowaken, Ruthenen, Rumänen, Zigeuner, Slowenen usw.
Bei der Volkszählung von 1720 gab es bereits 131 Häuser, wobei 112 Besitzer serbische -, 14 deutsche - und 5 ungarische Familiennamen trugen, Die Siedlung Ratzenstadt wurde zu einer "Kammerstadt" in der Militärgrenze aufgewertet.
Im heutigen Stadtgebiet gab es auch ein kroatisches Fischerdorf (kroat. Hrvatsko Selo).
1726 wird eine römisch-katholische Grundschule in Neusatz erwähnt, 1731 gründete der Bischof von Bačka, Visarion Pavlović die "lateinisch-slawische Schule".

Neusatz Orthodoxe Kathedrale St Georg

                                                           Neusatz, Orthodoxe Bischofskirche St. Georg


NEUSATZ - NEOPLANTA

Die Stadt entwickelte sich rasch. Schließlich hatten die Bewohner genug von der Regierung durch das Militär. Mehrere serbische und deutsche Bürger fuhren nach Wien und bewirkten bei Königin Maria Theresia die Erhebung zur Königlichen Freistadt (libera regia civitas, am 1. Februar 1748). Das kostete sie 80.000 Forint.
Die Stadt, sie zählte nun 4.620 Einwohner, schied damit aus der Militärgrenze aus und wurde ab nun durch einen Stadtrichter und zwölf Senatoren regiert. Den Serben waren sechs Senatorensitze reserviert, was ganz gut der ethnischen Zusammensetzung entsprach. Die Stadtämter (Richter, Stadthauptmann usw.) wurden abwechselnd mit orthodoxen (serbischen) und katholischen (u.a. deutschen) Bürgern besetzt. 
Und die Stadt erhielt einen neuen Namen: "Neoplanta“. („Nominentur Neoplanta“ steht in der Urkunde, "nennen wir es fortan Neoplanta"). Aus dieser lateinischen Bezeichnung entstanden der deutsche Ortsname "Ney-Satz" (Neusatz an der Donau), der ungarische "Új-Vidégh" (Újvidék), später auch das serbische und rusinische "Нови Сад", das kroatische "Novi Sad", das bulgarisch "Mlada Loza", das slowakische "Nový Sad", das griechische "Neofite" usw.

Ein Teil der serbischen Grenzerfamilien blieb trotzdem in der Stadt, die nun immer mehr anwuchs und bald das benachbarte Peterwardein wirtschaftlich überflügelte. Neusatz entwickelte sich rasch auch zu einem kulturellen Zentrum der Serben. In Altserbien herrschten ja noch bis 1833 die Osmanen (volle Unabhängigigkeit erst 1878, Königreich ab 1882).
1765 wurde in Neusatz das erste serbisch-orthodoxe Priesterseminar gegründet. Im Frankenwald (serb. Fruška Gora/Фрушка гора, ung. Tarcal-hegység), einem bewaldeten Mittelgebirge im östlichen Syrmien südwestlich von Neusatz, siedelten sich 17 serbisch-orthodoxe Klöster an. Er ist bis heute, neben dem Sinai und dem Berg Athos, einer der drei heiligen Berge in der christlich-orthodoxen Welt.

Neusatz Bischofspalast

                                                          Neusatz, Palast des Orthodoxen Erzbischofs

Neusatz lag nun (ab 1748) im Komitat Bács (Batsch), das 1802 mit dem Komitat Bodrog zum Komitat Bács-Bodrog vereinigt wurde. Die Hauptstadt war Sombor (ung. Zombor). Dieses Komitat war ausgesprochen multiethnisch. Im Jahr 1820 lebten hier ca. 44% Serben, Bunjewatzen und Schokatzen, 31,5 % Ungarn und 24,5% Deutsche. Der Südosten gehörte von 1763 bis 1873 zur 'Banater Militärgrenze' und zwar zum Schajkascher Bataillion (Donau-Flottilie), ab 1852 zum Titeler Infanteriebataillon.
Peterwardein aber blieb bis 1882 Teil der 'Slawonischen Militärgrenze'.

Ein Rückschlag waren die verheerenden Überschwemmungen 1769-1770, durch die die Stadt fast zur Gänze zerstört wurde.
Aber die Stadt erholte sich bald und am Ende des 18. Jhts. gab es bereits eine Brauerei, eine Seidenfabrik und eine Tabakfabrik.

Im Jahr 1780 hatte Neusatz etwa 2.000 Häuser, 1.144 Besitzer trugen serbische Namen.
1788 erhielt Neusatz das Recht statt eines Stadtrichters einen Bürgermeister zu wählen. Dimitrije Bugarski war der erste von ihnen.


NEUSATZ - DAS SERBISCHE ATHEN

1810 wurde das serbisch-orthodoxe Gymnasium in Neusatz gegründet und 1811 eröffnet. Eigentümer war die serbisch-orthodoxe Kirche. Die Unterrichtssprache war Deutsch, in Religion aber Serbisch. Es war das zweite in der Monarchie nach dem 1791 in Karlowitz (serb. Sremski Karlovci) gegründeten.
Die "lateinisch-slawische Schule" war um 1790 in ein katholisches Gymnasium umgewandelt worden.

Neusatz Serbisches Gymnasium

                                                             Neusatz, Serbisches Gymnasium

1813 charakterisierte der slowakische Schriftsteller und Slawist Pavel Jozef Šafárik, er unterrichtete von 1819 bis 1833 am serbischen Gymnasium in Neusatz, die Stadt als "Nest der Serben" und 1817 bezeichnete der serbische Schriftsteller Vuk Stefanović Karadžić sie als größte serbische Stadt weltweit.
1820 hatte es 20.000 Einwohner, darunter zwei Drittel Serben.

1824 gründete der serbische Schriftsteller und Gymnasialprofessor in Neusatz Georgije Magarašević eine literarische und wissenschaftliche Zeitschrift mit dem Titel "Serbski letopis" ( "serbische Annalen"), die große kulturelle Bedeutung erlangte.
Neusatz war zum politischen, kulturellen und sozialen Zentrum des serbischen Volks geworden, der Beiname "serbisches Athen" entstand.

1838 wurde die Stadt wieder überflutet.
Die große Katastrophe aber folgte 1849. Auf der Festung Peterwardein hatten sich ungarische Revolutionäre verschanzt und beschossen das gegenüberliegende kaisertreue Neusatz mit Artillerie. Von den 2.812 Häusern in der Stadt wurde 2.004 (71 %) zerstört. Auch die meisten öffentlichen Gebäude lagen in Ruinen, darunter auch das serbische Gymnasium, das in der Folge auf die Unterstufe reduziert wurde und erst 1866 mit Unterstützung durch Kaiser Franz Josef wieder seine Oberstufe eröffnen konnte.

Neusatz war damals schon ein Schulzentrum mit 3 Grundschulen, 2 katholischen - und zwei serbisch-orthodoxen Kirchenschulen und einer griechische Schule.
Die Serben machten etwa die Hälfte der Bevölkerung aus, zweitstärkste Gruppe waren die Deutschen, drittstärkste die Ungarn.

Von 1849 - 1860 gehörte die Stadt zum neugegründeten Kronland 'Woiwodschaft Serbien und Temeser Banat', in dem Deutsch und Serbisch Amtssprachen waren.
1860 wurde dieses Kronland wieder aufgelöst und die alte Komitatsstruktur wieder hergestellt. Neusatz gehörte also wieder zum Komitat Bács-Bodrog.

1861 wurde in Neusatz das "Serbische Nationaltheater" gegründet. Es war das erste Berufstheater der südslawischen Völker.

1864 wurde die 1825 in Pest gegründete Kulturvereinigung, "Matica Srpska" (Wiege Serbiens) nach Neusatz verlegt.
Das war und ist eine literarische und wissenschaftliche Bildungseinrichtung, die zum Fundament und Rückgrat der Serben in Ungarn wurde.
Ihr Vorbild war die 1825 gegründete "Ungarischen Gesellschaft der Wissenschaftler", die Vorläuferin der "Ungarische Akademie der Wissenschaften (ab 1840, kurz MTA, ung. Magyar Tudományos Akadémia). Diese Matica bewirkte die Gründung weiterer Maticas für die anderen slawischen Völker der Monarchie und darüber hinaus. Bereits 1831 die böhmische in Prag, 1842 die kroatische in Agram, 1847 die obersorbische  in Bautzen, 1848 die ukrainische in Lemberg, 1853 die mährische in Brünn,1862 die dalmatinische in Zara, 1863 die slowakische in Turz-Sankt Martin, 1864 die slowenische in Laibach, 1880 die polnische in Lemberg und 1880 die niedersorbische in Cottbus. Diese Kulturvereine erlangten in der Phase des Nationalismus sehr große Bedeutung. 

 

Neusatz Haus der Matica Srpska

                                                             Neusatz, Haus der Matica Srpska

In der Stadt wurden nicht nur mehrere Sprachen gesprochen, es waren auch eine ganze Reihe von Konfessionen vertreten. 1843 zählte man bei insgesamt 17.332 Einwohnern 9.675 Orthodoxe, 5.724 Katholiken (römischer und griechischer Ritus), 1.032 Evangelische (davon mehr Reformierte als Lutheraner, 727 Juden und 30 Armenisch-Apostolische.
Und es wurden auch verschiedene Alphabethe verwendet. Die Serben, Bulgaren und Ruthenen schrieben Cyrillisch, die Deutschen Kurrent, die Ungarn, Kroaten, Schokazen und Slowaken Lateinisch, die Juden Hebräisch, die Armenier Armenisch und die Griechen Griechisch.

Neusatz war auch Armeestandort, das k.u.k.-Infanterieregiment Nr. 6 hatte hier seinen Ergänzungsbezirk.


NEUSATZ UNTER DEM UNGARISCHEN NATIONALISMUS

Aus dem Jahren 1880, 1890, 1900 und 1910 liegen die amtlichen Volkszählungsdaten vor.
Bei der konfessionellen Zusammensetzung hat sich nur wenig geändert, lediglich der Anteil der Griechisch-Orthodoxen ist relativ gesehen deutlich gesunken. D.h. die Zuwanderung von Serben in die Stadt war vermutlich geringer als bei den anderen Konfessionen.
Bei den Angaben zur Muttersprache hat sich dagegen mehr verändert. Deutsch und Serbisch sind deutlich zurückgegangen, während Ungarisch sprunghaft angewachsen ist. Das ist eine Folge des Ungarischen Nationalismus, während dessen massiver Druck auf alle Nichtmagyaren im Königreich ausgeübt wurde sich zu assimilieren, ja sogar die Familiennamen zu magyarisieren.
Das betraf auch die Stadtverwaltung, die ausschließlich in Ungarischer Sprache erfolgen mußte. Seit dem Banffy-Gesetz von 1898 waren im Amtsverkehr und den Schulen nur mehr die ungarischen Ortsnamen zugelassen. Neusatz/Novi Sad mußte nun amtlicherseits als Újvidék bezeichnet werden.
Mit dem Lex Apponyi von 1907 wurde der beinahe ausschließliche Gebrauch der ungarischen Sprache im Schulunterricht auch auf die Gemeindeschulen und konfessionellen Grundschulen ausgedehnt. Auch das katholische Gymnasium wurde magyarisiert.
An der Umgangssprache in der Stadt änderte sich dadurch aber wenig. Hier dominierte weiterhin das Serbische und auch Deutsch war weiterhin in Gebrauch.

Neusatz Kossuth Strasse                                                             
                                                              Neusatz, Kossuth Lajos Gasse

 Muttersprache   1880    %   1910    %
 Gesamt  21.325    33.590  
 Serbisch    9.127  42,80  11.594  34,52
 Ungarisch    5.736  26,90  13.343  39,72
 Deutsch    5.353  25,10    5.918  17,62
 Slowakisch       768    3,60    1.453    4,33
 Kroatisch          *         621    1,85
 Ruthenisch       171    0,80       332    0,99
 Rumänisch         21    0,10         83    0,24
 Andere       149    0,70       246    0,73

 * 1880 wurden zwischen Serbisch und Kroatisch nicht unterschieden

 

Konfession   1880 %   1910    %
Gesamt  21.325    33.590  
Röm.-kath    8.093  37,95  13.383 39,84
Griech.-kath.       170    0,80      458   1,36
Griech.-Orth.    8.424  39,50  11.553 34,39
A.B. Lutherisch    1.700    7,97    3.089   9,20
H.B. Reformiert    1.742    8,17    2.751   8,19
Jüdisch    1.141    5,35    2.326   6,92
Unitarisch           6    0,00           3   0,00
Andere         49    0,02         27   0,01

Im Komitat Bács-Bodrog gab es 1880 638.063 Einwohner, davon 234.352 (36,73%) Ungarn, 162.894 (25,53%) Deutsche, 24.761 (3,88%) Slowaken, 469 (0,07%) Rumänen, 7.294 (1,14%) Ruthenen, 177.081 (27,75%) Serben und Kroaten sowie Bunjewatzen, Schokatzen usw.
1910 waren es dann schon 812.385 Einwohner, davon 363.518 (44%) Ungarn, 190.697 (23%) Deutsche,145.063 (17%) Serben, 55.781 (6,87%) Bunjewatzen, 30.137 (3,7%) Slowaken, 11.736 (1,44%) Schokatzen, 10.760 (1,44%) Ruthenen,1279 (0,16%) Kroaten, 286 (0,05%) Rumänen und 3.028 (0,37%) Andere.


NEUSATZ UNTER DEM SERBISCHEN NATIONALISMUS

Dann kam der 1. Weltkrieg und die Niederlage Österreich-Ungarns. Am 24. Oktober 1918 kündigte der ungarische Reichstag die Realunion mit Österreich per 31. Oktober und rief die ungarischen k.u.k.-Soldaten nach Hause zurück. Damit hörte die Doppelmonarchie auf zu bestehen.
Am 9. November 1918 zogen die letzten ungarischen Truppen aus Neusatz nach Norden ab, serbische Bürgermilizen übernahme die Kontrolle und gegen Mitternacht marschierten dann königlich-serbische Truppen ein. Mit dem Friedensvertrag von Trianon am 4. Juni 1920 gehörte die Stadt endgültig zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (Kraljevstvo Srba, Hrvata i Slovenaca, kurz SHS-Staat), ab 1921 Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca, auf deutsch "Südslawien" genannt.

Die slawischen Volksgruppen der Vojvodina (Banat, Batschka, Baranja) hielten am 25. November 1918 in Neusatz feierlich eine "Große Nationalversammlung" ab und verlangten dort den Anschluß an das Königreich Serbien. Dabei hatten laut der am 17. November veröffentlichten Proklamation Serben, Bunjewatzen und andere Slawen beiderlei Geschlechts über zwanzig Jahre das Wahlrecht für die Delegierten. Diese wurden von den Gemeinden gewählt, ein Abgeordneter pro tausend Bürger, und zwar in öffentlichen Versammlungen per Zuruf, also offen.
An dieser Versammlung im Hotel "Grand Hotel Meyer" (heute Haus der Vojvodjanska Banka) nahmen 757 Delegierte teil, davon 578 Serben, 84 Bunjewatzen, 62 Slowaken, 21 Ruthenen, 6 Deutsche, 3 Schokatzen, 2 Kroaten und 1 Ungar, davon waren 7 Frauen.
Das entsprach in keiner Weise der ethnischen Zusammensetzung dieser Region. Die Ungarn und Deutschen wurden also nicht gefragt.

Die Zugehörigkeit zum neuen Staat bedeutete auf vielen Gebieten einen Rückschritt. So gab es nun, wie schon davor im Königreich Serbien, keine Schulpflicht mehr. Alle nichtslawischen Staatsdiener der an den SHS-Staat angeschlossenen Gebiete Österreichs, Ungarns und Bosnien-Herzegowinas wurden entlassen, viele von ihnen verließen mit ihren Familien das Land. Die meisten deutschen und ungarischen Bürger und Bauern blieben aber.

Neusatz war nun die Hauptstadt der Provinz "Banat, Batschka und Baranya" (Banat, Bačka i Baranja) mit 1.365.596 Einwohnern. Davon waren 29,1% Serben, 27,7% Ungarn, 23,8% Deutsche und 7,7% Kroaten.
Das Regionalparlament ("Großer Nationalrat") hatte 50 Mitglieder, darunter 35 Serben, 8 Bunjewatzen, 5 Slowaken, 1 Kraschowaner und 1 ruthenischer Priester. Ungarn, Deutsche und Kroaten, die 59% der Bevölkerung ausmachten, waren überhaupt nicht vertreten. 1922 wurde diese Provinz aufgelöst und es folgten wechselnde administrative Einteilungen.

Neusatz kath Marienkirche

                                                              Neusatz, Katholische Marienkirche

1921 gab es wieder eine Sprachzählung in Neusatz. Von den nun 39.122 Einwohnern gaben nun 16.293 (41,65%) Serbisch, 12.991 (33,22%) Ungarisch, 6.373 (16,29%) Deutsch und 1.117 (2,86%) Slowakisch als Sprachzugehörigkeit an. Die Zunahme der nun dominierenden Serben ist klar, trotzdem waren auch Ungarn und Deutsche noch sehr zahlreich. Die Abnahme der Slowaken ist auf die Rückwanderung in die neugegründete CSR zurückzuführen.

Der ungarische Nationalismus war nun vorbei, der serbische setze ein.
Trotzdem entwickelte sich Neusatz nun wieder zu einem kulturellen und politischen Zentrum der Deutschen. Hier war manches möglich, was beispielsweise in der Untersteiermark völlig unmöglich gewesen wäre. Denn die Donauschwaben in der Batschka wurden vom neuen Staat nicht als Bedrohung angesehen, das Mutterland Österreich war ja nun weit entfernt. Und während des ungarischen Nationalismus hatten deutsche und serbische Gruppen zusammengearbeitet. So gelang es hier im Jahr 1920 den „Schwäbisch-Deutschen Kulturbund“ zu gründen, der den kulturellen Identitätserhalt der deutschen Bevölkerung im neuen Staat zum Ziel hatte.“ Sein Motto lautete „Staatstreu und volkstreu!“, ergänzt durch „Muttersprache, Heimat, Väterglaube!“ Mit dem Staat war Jugoslawien gemeint. Er konnte seine Tätigkeit auf das gesamte Staatsgebiet ausdehnen, also auch auch auf Slowenien, wo die deutsche Minderheit überhaupt nicht zu den Donauschwaben gehörte.
1922 wurde auch die „Partei der Deutschen in Jugoslawien“ gegründet, die mit serbischen Parteien kooperierte, 1923-1929 im Parlament des SHS-Staates vertreten war und zwischen die Fronten des serbisch-kroatischen Grundkonflikts in Jugoslawien geriet. 
Der Kulturbund war 1924-1927 und während der Königsdiktatur 1929-1930 (wie alle anderen Minderheitenorgansationen) verboten, blieb aber auf lokaler Ebene bestehen.
In Neusatz gründeten die Deutschen 1919 die "Druckerei- und Verlags-AG", die das "Deutsche Volksblatt" herausbrachte.

Mit der während der Königsdiktatur (6. Jänner 1929) erlassenen neuen Verfassung vom 3. Oktober 1929 wurde der Staatsname auf "Königreich Jugoslawien" (Kraljevina Jugoslavija) geändert.

1928 wurde die kleinere Nachbarstadt Peterwardein jenseits der Donau nach Neusatz eingemeindet. Damit wurde die historische Grenze, Peterwardei gehörte bis 1918 zum Königreich Kroatien, Neusatz zum Königreich Ungarn verwischt. Ein Motiv war wohl auch die kroatische Bevölkerungsmehrheit von Peterwardein, die nun im serbisch dominierten Neusatz ihre Gemeindeautonomie verlor.


NEUSATZ UNTER UNGARISCHEM UND TITO-TERROR

Am 27. März 1941 gab es einen Staatsstreich in Jugoslawien und als Reaktion marschierten ab dem 6. April 1941 deutsche, ungarische, italienische und bulgarische Truppen in Jugoslawien ein. Der Staat wurde aufgeteilt. Die Batschka und damit auch Neusatz wurden vom Königreich Ungarn annektiert. Das gegenüber legende Peterwardein kam zum neugegründeten italienischen Satellitenstaat Kroatien.

Die neuen Herrn versuchten die serbische Bevölkerung zu vertreiben und die Batschka gewaltsam zu magyarisieren. Die Matica Srpska wurde aufgelöst, serbische Zeitungen verboten, das serbische Gymnasium aber ließ man bestehen. Das rief bewaffneten Widerstand hervor. Nach einer Reihe von Sabotageakten jugoslawischer Partisanen im Raum Neusatz im Jänner 1942, bei denen 10 ungarische Gendarmen und Soldaten getötet wurden, gab es von 21. - 23. Januar 1942 eine große Vergeltungsaktion der ungarischen Armee, bei der in Neusatz weitgehend wahllos 1246 Zivilisten ermordet wurden. Viele davon wurden unter das Eis der zugefrorenen Donau geworfen und ertränkt. Davon waren 489 Männer, 415 Frauen, 165 Kinder und 177 Alte; 809 Juden, 375 Serben, 18 Ungarn, 15 Ruthenen, 8 Deutsche, 2 Russinen und 19 Andere. In der gesamten Batschka wurden insgesamt rund 4000 Zivilisten ermordet.
Die ungarische Regierung stellte die verantwortlichen Offiziere vor Gericht, diese konnte aber entkommen. Nach Kriegsende wurden einige von ihnen in Jugoslawien hingerichtet.

Neusatz Synagoge

                                                               Neusatz, Synagoge

1944 wurde Neusatz durch alliierte Bomberverbände angegriffen.
Am 23. Oktober 1944 rückten die kommunistischen Partisaneneinheiten Titos in die Stadt ein und nun wurden Ungarn, Deutsche und nichtkommunistische Serben verfolgt und zu Tausenden getötet, angeblich alleine 10.000 Ungarn. Die deutsche Volksgruppe, die durch die AVNOJ-Gesetze von 1943 pauschal enteignet und entrechtet worden war, wurde, soweit sie nicht schon geflüchtet war, systematisch vertrieben, ermordet oder in Konzentrationslager gesperrt, wo Zehntausende ums Leben kamen.
Die deutsche Volksgruppe war ab 1941 in der "Deutschen Volksgruppe im Banat und Serbien“ einheitlich organisiert, aber intern tief gespalten in Gegner und Anhänger des Nationalsozialismus. Das spielte aber bei der Behandlung durch die Partisanen praktisch keine Rolle.


Neusatz Tito Partisanen 1944

                                                              Tito-Partisanen 1944 in Neusatz

 

NEUSATZ 1945 - 2021

Anstelle der ermordeten, geflohenen oder internierten Juden, Deutschen, Ungarn und nichtkommunistischen Serben wanderten nach dem Krieg tausende Serben, Kroaten, Bosnier, Albaner, Montenegriner, Mazedonier usw. nach Neusatz ein. Die Zusammensetzung der Bevölkerung änderte sich grundsätzlich.
Die Serben stellten nun die große Mehrheit der Bevölkerung.

Mit dem Beginn des Zerfalls Jugoslawiens 1991 flohen viele junge Männer nach Ungarn und Kroatien um nicht in der serbisch dominierten Bundesarmee in Slowenien, Kroatien und später in Bosnien und dem Kosovo kämpfen zu müssen. Nach dem serbischen Massenexodus aus der Kraina in Kroatien siedelten sich viele davon in der Stadt an. Dafür flüchteten viele Kroaten nach Kroatien.
Wieder änderte sich die Bevölkerungszusammensetzung gravierend.

1999 beim sog. Kosovokrieg bombardierten NATO-Flugzeuge auch Neusatz und zerstörten u.a. alle 3 Donaubrücken, das Wasserwerk, das Rundfunkgebäude und die Raffinerie. Auch das städtische Krankenhaus, mehrere Grundschulen, eine Kindertagesstätte und mehrere Kinderkrippen wurden beschädigt.
Damit war der Schiffsverkehr auf der Donau blockiert. Erst 2005 wurde wieder eine Donaubrücke fertiggestellt.

Neusatz Donau Bruecke 1999
                                                        Neusatz, zerstörte Donau-Brücke im Jahr 1999


Aber Neusatz erholte sich auch von diesem Schlag und lebte wieder auf.
Sie ist heute die zweitgrößte Stadt Serbiens und unverändert ein Bildungszentrum.

Es gibt eine eigene Tageszeitung (Dnevnik), einen regionalen Radio- und Fernsehsender (Radio Televizija Vojvodine, RTV), der in sieben Sprachen sendet (Serbisch, Ungarisch, Kroatisch, Slowakisch, Russinisch, Rumänisch und Romanes; bis 2011 auch auf Deutsch).

Von 1944 bis 2006 erschien auch die ungarischsprachige Zeitung Magyar Szó (Ungarisches Wort) in Neusatz, seither in Maria-Theresiopel (Subotica, Szabadka).

Zur Erinnerung an die Verleihung des Status einer freien Königsstadt im Jahr 1748 durch Königin Maria Theresia gibt es in Neusatz jeweils am 1. Februar das Stadtfest (serb. Dan Grada).

Neusatz Rathaus bei Nacht

                                                             Neusatz, Rathaus bei Nacht

 

Das hier ist natürlich nur ein kurzer schematischer Überblick.

Alle Leser sind herzlich eingeladen, mir Ergänzungen mitzuteilen und mich auf Fehler und Irrtümer meinerseits aufmerksam zu machen.

Günter Ofner
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Kategorie: Streiflichter aus Alt-Österreich
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